Freitag, 3. April 2015

Rebsorten aus Frankreich: Carignan, die Traube, die im Languedoc „entdeckt“ wurde

Carignan, die verkannte Rotwein-Traube aus dem Süden

Wie viele andere südliche Rebsorten, zieht die Carignan-Traube kargen, trockenen Boden vor - die typische Erde des Mittelmeerraums. Sie wächst natürlich auch auf fruchtbareren Böden, zum Beispiel in den Ebenen der nördlichen Gebiete Frankreichs oder Italiens, wo die Rebe mit dem sowieso schon reichen Ertrag noch mehr Trauben trägt als im Süden - doch der Wein ist von minderer Qualität, sein Geschmack ist streng mit einer Tendenz zu starker Säure.

Diese im Pflanzenreich an sich ungewöhnliche Reaktion, auf reicherem Boden schlechtere Qualität zu erzeugen, führte dazu, dass man Carignan lange für eine minderwertige Rebsorte hielt oder zumindest für einen Wein, den man nur im Verschnitt mit anderen Traubenarten benutzen konnte. Andererseits wollte man auch nicht auf ihre guten Eigenschaften verzichten: ihre schöne, dunkelrote Farbe, die sich bei der Mazeration auch auf andere Trauben überträgt und ihr starkes Tannin, das geschmacklich Probleme bereiten kann, doch dazu beiträgt, dass der Wein lange langerfähig ist.

Ein anderes Problem, das ausschließlich die Weinberge in kälteren Gegenden - das heißt außerhalb des Mittelmeereinflusses - betrifft, ist die späte Reife der Carignan-Traube. Im Gegensatz zu anderen Rebsorten beginnt ihr Zyklus erst spät im Jahr, das heißt nicht vor Mitte Juni. Dadurch kann ihr zwar Frühlingsfrost nichts anhaben, sie ist aber dem ersten Frost im Herbst ausgesetzt. Die Kälte zerstört vielleicht nicht die Ernte, aber sie hat einen großen Einfluss auf die Qualität des Weines.

So kommt es, dass erst die Experimentierlust der jüngsten Winzergeneration des Languedoc die Qualitäten des Carignan als sortenreiner Wein aufdeckte. Der typisch trockene und karge Boden im Süden Frankreichs und die garantiert frostlosen Herbsttage lassen die Trauben voll ausreifen und ihr Aroma entwickeln, das heißt den fruchtigen Geschmack, den man ihnen so lange abgesprochen hat. Ein gut ausgereifter Carignan erinnert an rote Waldfrüchte, Pflaumen, Edelgewürze und die Düfte der südlichen Heidelandschaft. Keltert man die Trauben als Roséwein, so gewinnt man einen ausdrucksstarken, angenehmen Fruchtgeschmack.

Um einen guten Carignan zu erhalten, muss der Winzer auch auf das Alter der Weinstöcke achten. Denn wenn die ausgereiften Trauben einer jungen Pflanze auch schon den typischen Fruchtgeschmack entwickeln, so ist das Tannin doch noch sehr bitter und der Wein hat einen hohen Säuregehalt. Mit den Jahren entwickeln sich diese Eigenschaften jedoch zurück, und mit dreißig bis fünfzig Jahren, wenn die Weinstöcke „erwachsen“ sind, dominiert der Fruchtgeschmack. - Dies ist einer der Gründe, warum die Weinmacher aus dem Languedoc einen so guten Carignan keltern: viele Carignan-Weinberge wurden hier schon in den 1950er oder 60er Jahren angepflanzt und sind inzwischen im „besten Alter“.  

Um die Nachteile zu junger Weinstöcke oder aus Klimagründen schlecht ausgereifter Trauben zu kompensieren, hat man Carignan lange in Cuvées benutzt. Syrah, Grenache oder auch Cinsault - vor allem für den Roséwein - gelten als ausgezeichnete Rebsorten, um das starke Tannin und den hohen Säuregehalt von zu jungen Carignan-Pflanzen oder schlecht ausgereiften Trauben zu überdecken. In Verbindung mit Grenache gibt Carignan einen feinen, eleganten Wein, mit Syrah wird er fruchtig und aromatisch.

Ein berühmter Wein, der schon immer von der Qualität des Alterungsprozesses des Carignan profitiert hat, ist der spanische Rioja. Doch man findet die Carignan-Traube auch in den Cuvées der korsischen Weine, unter anderem in Ajaccio oder Calvi, im Faugères, wo sie, zum Beispiel in einer hervorragenden AOC-Cuvée von Mas Onésime, bis zu 45 Prozent ausmacht, sowie in etlichen Languedoc-Weinen, wo das Weingut VillaTempora 40 Prozent Carignan mit Syrah und Grenache verschneidet, um seinen ausgezeichneten Rotwein „Villa Tempora“ zu keltern.

Doch Carignan wird auch in anderen französischen Weingegenden nicht verschmäht. So verwendet man ihn im Roussillon, in der Provence und sogar im Rhone-Tal, wo er Bestandteil von mehreren geographischen Herkunftsbezeichnungen aus der Gruppe der „Côtes du Rhône Villages“, aber auch von „Côte de Rhone“ und „Beaumes de Venise“ ist.

Mehr Informationen über die Rebsorte Carignan und ihre Geschichte. 
Copyright: Sandra Winters