Wie die Rebsorte Mourvèdre in die Camargue zurückkehrte und zu Sandwein wurde
Offiziell wurde der Sandwein, der Vin des Sables, so wie wir ihn heute kennen, 1880 von der Firma Listel
"erfunden", das heißt, genauer gesagt, von der Compagnie des Salins
du Midi (Gesellschaft für die Salzgewinnung im Mittelmeerraum). Die
Wissenschaftler der damals größten Firma der Camargue - deren eigentliche
Aktivität in der Salzgewinnung bestand - waren wissbegierig wie alle
Wissenschaftler, und ihre Chefs hatten natürlich immer Lust, ein paar Tausender
nebenbei zu verdienen. Als diese Wissenschaftler das "Geheimnis" des
Überlebens der Weine in bestimmten Ecken der Camargue entdeckt hatten, reagierten
die Manager der Salz-Firma dann auch prompt: sie gründeten Listel und wurden
zum größten Weinhersteller der Camargue - und zu einem der größten von
Frankreich.
Doch eigentlich wurde der Sandwein der Camargue
von niemandem "erfunden", sondern man kann ihn als natürlichen Wein
der Camargue betrachten - Listel hat also nicht den Sandwein, sondern nur
seinen systematischen Anbau und die entsprechende Vermarktung eingeführt. Der
hohe Sandgehalt im Boden der Camargue war schon immer ein natürlicher Schutz
gegen die Insekten, und die häufige Überflutung der Weinfelder sorgte dafür,
dass selbst die Schädlinge, die sich im Sand bewegen und ernähren können, noch
ausgerottet werden.
Wenn man heute - dank Listel - Wein aus der Camargue
automatisch mit Sandwein identifiziert, so wuchsen doch nicht alle Ahnen der
heutigen Vins des Sables ausschließlich auf Sand. Dabei kann man sagen, dass
die Geschichte des Weines aus der Camargue sich im Kreis gedreht hat. Denn heute
herrscht im Weingarten der Camargue und der gesamten Provence die Rebsorte
Mourvèdre vor. Doch vor dem großen Weinsterben im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war
nur noch sehr wenig Mourvèdre in der Camargue zu finden. Mourvèdre oder
Monastrell wurde erst nach der Phylloxera eingeführt, mit den Rebsorten, die
die frühere Quantität der Camargue-Weine durch Qualität ersetzen sollten. Aber
trotz der unumstrittenen Qualität der Mourvèdre-Weine gab es bald Stimmen, die
sich beklagten, der Wein aus der Camargue wäre nicht mehr so, wie er vor dem
Einfall der Reblaus war...
Doch diese Stimmen haben sich offensichtlich geirrt. Denn
man müsste eigentlich eher von einer "Wiedereinführung" des Mourvèdre
sprechen: wenn Weinliebhaber wie der Antipapst aus Avignon, Jean XXII. im 14.
Jahrhundert oder Könige wie Charles VI oder sein Nachfolger im 15. Jahrhundert
ihre Weinkeller mit Weinen aus der Camargue füllten, dann lag das vorwiegend an
ihren Rebsorten: und eine davon war Mourvèdre, die famose Plant de
Saint-Gilles..
So gehört Mourvèdre, die Rebsorte, die unter all den nach
der Phylloxera eingeführten Rebsorten den größten Erfolg erzielte, zu den Ahnen
des Sandweines.
Copyright: Sandra Winters