Mittwoch, 31. Juli 2013

Rancio-Wein: Vin doux naturel, Clairette du Languedoc und Süßwein aus dem Roussillon

Wie ein Wein "ranzig" wurde und ein neuer Geschmack entstand: Clairette du Languedoc, Banyuls, Rivesaltes...

Man sagt, Frankreich sei das Land des Weines - was natürlich auch stimmt. Von Spanien redet man dagegen nur seltener. Trotzdem kommen einige der besten Rebsorten (Mourvèdre, Cinsault,...) aus Spanien und selbst einige Techniken, die heute in Frankreich zum allgemeinen (Wein-)Kulturgut gehören, wurden in Spanien erfunden...

... das heißt, wie so viele große Erfindungen wurden viele Weintechniken eigentlich durch Zufall - oft durch einen Unfall - entdeckt. Keiner weiß, wie der erste Rancio wirklich entstand. Aber man kann sich gut vorstellen, dass ein Winzer einmal in Eile war und sein Fass mit Vin doux naturel (Süßwein) in seiner ersten Reifephase nicht richtig schloss, oder vielleicht auch, dass das Fass einen Riss hatte, den der Winzer nicht bemerkte - jedenfalls kam Sauerstoff an den Wein in einem Moment, wo er normalerweise luftdicht abgeschlossen sein muss. Dazu kam die Hitze der Mittelmeersonne... und der Wein wurde ranzig.

Die meisten Winzer hätten das Fass und seinen Inhalt vermutlich einfach weggeworfen. Doch "unser" Weinmacher kam auf die Idee, dass vielleicht doch noch was zu retten sei. Oder er wollte es zumindest versuchen - und hat zunächst einmal gekostet. Und anstatt einen schlechten - ranzigen - Geschmack auf der Zunge zu verspüren, entdeckte er das süß-saure Aroma von Haselnüssen, Haselnussbutter, Walnüssen und zerlassener Butter. Mit anderen Worten, dieser "verdorbene" Wein schmeckte hervorragend.

Vielleicht war es der gleiche Winzer, der dann die Idee hatte, das sein neu entdeckter Wein Gefahr liefe, Essigsäurebakterien zu entwickeln. Vielleicht war es auch ein anderer, der die neue "Technik" später imitierte. Jedenfalls wäre es schade gewesen, den gerade erst entdeckten Wein zu Essig werden zu lassen. Deshalb setzte er etwas Alkohol zu - und die Gefahr war gebannt.

Der Name von Rancio, dem Süßwein mit der besonderen Note, die heute so beliebt ist, bedeutet nichts anderes als "ranzig". Doch ein "ranziger Wein" hat absolut nichts mit einer ranzigen Butter oder anderen ranzigen Lebensmitteln zu tun. Er entwickelt eigene Aromastoffe, die ihn in den Augen der Weinliebhaber zu etwas Besonderem machen.

Heute bedienen sich die Weingüter, die Rancio produzieren, natürlich keiner "defekten" Fässer mehr oder rechnen damit, dass mal eins nicht richtig schließt. Der Rancio wird inzwischen nur aus Weintrauben hergestellt, die so lange auf der Weinrebe bleiben, bis sie überreif sind. Anschließend werden sie für mindestens drei Jahre in Holzfässern gelagert - in Fässern, die aus Eiche, Akazie oder Esche gefertigt werden - die über eine Temperaturkontrolle verfügen und den Wein einer ständigen, gleichmäßigen Hitze aussetzen. Der Sauerstoff berührt den Wein nicht mehr "zufällig", sondern wird gezielt zugeführt und garantiert eine optimale Oxydation des Weines.

Doch obwohl der Zufall, der den ersten Rancio unter ungewollter Sauerstoffzufuhr und Mittelmeerhitze entstehen ließ, längst durch ein wissenschaftlich ausgeklügeltes, computergesteuertes System ersetzt wurde, gibt es in Frankreich noch Gegenden, wo man die Fässer - oft sogar traditionelle Glasfässer -, die nur bis knapp über die Hälfte gefüllt werden, einfach in der Sonne liegen sieht.

Weinliebhaber, und besonders die Anhänger von Vin doux naturel, möchten ihren Rancio heute nicht mehr missen. Die Technik wird in fast allen Gebieten angewendet, wo Süßwein produziert wird. Bekannt sind zum Beispiel die Rancios aus Banyuls oder Rivesaltes im Roussillon, dem südlichsten Weinbaugebiet des französischen Mittelmeeres, das sich bis an die spanische Grenze zieht. Ein anderes berühmtes Rancio-Gebiet gehört zum AOC Languedoc, wo in den Tälern der Hérault die Trauben von Clairette du Languedoc heranreifen.

Die Technik des Rancio wird auch für die Herstellung von Cognac eingesetzt.
Copyright: Sandra Winters

Dienstag, 30. Juli 2013

Vin des Sables: Wein aus der Camargue, Provence, Frankreich

Wie man in der französischen Camargue, mitten in der Provence, den "Vin des Sables" erfand

Der Wein aus der Camargue ist bekannt seit dem Mittelalter, und sicher gab es zu dieser Zeit auch schon Weinberge, die auf sandigem Gelände angepflanzt waren. Wir wissen, dass schon die französischen Könige Karl VI. und VII. den Sandwein für ihren persönlichen Bedarf bestellten, und 1406 und 1431 erließen sie spezielle Verordnungen für den Verkauf des Vin des Sables in Aigues-Mortes. Der Wein jedoch, den man heute den "echten" Vin des Sables de Camargue nennt, wurde erst 1880 "erfunden".

Zu dieser Zeit war die Compagnie des Salins du Midi (Gesellschaft für die Salzgewinnung im Mittelmeerraum) der größte Arbeitgeber der Camargue. Als die Phylloxera ausbrach und in kürzester Zeit ganze Weinberge zerstörte, beobachteten die Experten der Gesellschaft, dass gewisse Gegenden von dem Übel erspart blieben. Ihre Analyse ließ sie schnell erkennen, dass es sich um die Weinberge handelte, die auf Sandboden angelegt waren und regelmäßig überflutet wurden.

So entschied die Compagnie des Salins du Midi, diese Erkenntnis in Gewinn umzusetzen. Ihre Direktoren hatten wohl verstanden, wie wertvoll es wäre, zur Zeit des großen Weinsterbens einen Wein anzupflanzen, der immun gegen die Phylloxera ist. Die Gesellschaft besaß den ganzen Sandstreifen zwischen dem Meer und den Lagunen von Aigues-Mortes bis Saintes-Maries-de-la-Mer und zwischen Sète et Marseillan, ein Gebiet, mit dem man an sich wenig anfangen konnte - außer es in Sandweinpflanzung zu verwandeln.

1955 gründete die Gesellschaft für Salzgewinnung dann die Firma Listel, die sich, unabhängig von der Ausbeutung des Meersalzes, der Vermarktung des Vin des Sables widmen sollte. Inzwischen ist Listel zum größten Produzenten von Vin des Sables de Camargue geworden.

Die enormen Gewinne, die die Vins des Sables de Camargue in den Jahren der Phylloxera erzielten und die bis 1930 immer noch anstiegen, gaben den Weingütern die Möglichkeit, sich immer mehr auf die Qualität ihres Weines zu konzentrieren. Es war nicht zuletzt dem Einfluss der Compagnie des Salins du Midi zu verdanken, dass der Sandwein von Aigues-Mortes am Concours général agricole in Paris 1897 teilnehmen konnte. Die Repräsentanten der Camargue stellten ihn unter dem Namen Exploitation de Vignoble de Sables vor, "Erschliessung der Weinberge des Vin des Sables".

Seit 2009 - das heißt, seitdem das Gütezeichen eingeführt wurde - darf der Vin des Sables sich IGP nennen. Das Gütezeichen Indication Géographique Protégée (Geschützte Herkunftsbezeichnung) garantiert den Konsumenten, das der Wein unter gewissen gesetzlich festgelegten Bedingungen hergestellt wird und ausschließlich die erlaubten Rebsorten enthält. Die Bezeichnung IGP löste eine ältere Auszeichnung ab, die Vin de Pays des Sables du Golfe du Lion (Landwein auf Sand vom Golf du Lion), die 1973 vom französischen Landwirtschaftsministerium vergeben wurde.

Doch viele Weingüter gehen weiter, als es die Bestimmungen des IGP verlangen: sie produzieren Bio. Eine biologische Weinherstellung ist für die Vin des Sables natürlich nahe liegender als für die meisten anderen Weine: der Sand ist ein natürliches Insektenvernichtungsmittel - er ist ständig in Bewegung und zermalmt automatisch jedes Insekt, dass versuchen würde, zur Wurzel eines Weinstocks durchzudringen. Dazu kommt noch die regelmäßige Überflutung der Weinberge, die die Schadinsekten endgültig zerstört.

Nachdem die Vins de Sables nicht viel Düngemittel brauchen - der kalkhaltige Quarzsand, auf dem sie wachsen, reicht ihnen vollkommen aus, können die Winzer auch auf chemische Düngemittel verzichten. Das einzige Problem der Weinberge aus Sand ist der starke Wind der Provence. Sie mussten also ein Mittel finden, um die Anhäufung des Sandes an einzelnen Stellen zu vermeiden.

Ihr erster Schutz gegen den Wind bestand in regelrechten Hecken aus Rohrstock, die quasi undurchdringlich waren. Doch dann kam die Idee auf, nach der Weinlese Gras oder Getreide zwischen den Weinstöcken auszusäen. So fixieren die Gräser im Winter den Sand zwischen ihren Wurzeln. Und im Frühling, wenn die Winzer ihre Weinberge umpflügen und das Gras oder Getreide mit der Erde vermischen, werden sie auch noch zum rein biologischen Dünger.
Copyright: Sandra Winters

Montag, 29. Juli 2013

Mourvèdre oder Monastrell: Wein aus der Provence

Die Geschichte von Mourvèdre oder Monastrell, einer typischen Rebsorte für Wein aus der Provence

Es scheint sicher zu sein, dass sie aus Spanien kommt - aber darüber hinaus weiß man nicht viel von der Herkunft der Rebsorte, die man in Deutschland meist mit ihrem französischen Namen, Mourvèdre bezeichnet. Manchmal nennt man sie aber auch bei ihrem spanischen Namen, Monastrell.

Doch ob Mourvèdre oder Monastrell, mehrere Gebiete von Spanien erheben Anspruch darauf, ihr Heimatland zu sein. In Valencia geht man davon aus, dass die Rebsorte aus der Stadt Morvedre kommt, was dort aber niemanden abhält, sie Sagonte - Sagunt in valenzianisch - zu nennen, nach einer Stadt im Distrikt Camp de Morvedre. Denn die Bewohner sagen, die Mourvèdre-Rebe wäre nicht in Morvedre zu Hause, sondern genauer im valenzianischen Sagunt...

Sagunt ist übrigens eine interessante Stadt - zumindest in der Theorie. Sie spielte eine wichtige, manchmal romantische Rolle in der spanischen Geschichte. Doch ihre heutige Rolle ist weniger romantisch, aber immer noch wichtig: sie ist das Industriezentrum ihres Gebietes.

Die Katalanen, dagegen, wie so oft nicht einig mit Valencia, kümmern sich nicht darum, ob Mourvèdre oder Monastrell aus Morvedre oder Sagunt abstammt. Für sie kommt diese Rebart aus Mataró, einer kleinen Stadt bei Barcelona. Natürlich heißt sie deshalb bei den Katalanen auch Mataró.

Guy Lavignac, Autor eines Buches über die zweitausendjährige Geschichte der Rebsorten aus dem Südwesten Frankreichs, lässt sich nicht auf Spekulationen über die Herkunft von Mourvèdre ein. Er fügt nur hinzu, dass es wohl einer der Pilger auf seinem Rückweg von Santiago de Compostela war, der die Monastrell zum ersten Mal mit nach Frankreich brachte. Sicher ist jedenfalls, dass die Rebsorte seit dem 15. Jahrhundert in Frankreich verbreitet ist. Und schließlich wurde sie zur meistverbreiteten Rebsorte der Provence...

... bis die Phylloxera ihren Einzug hielt und so ziemlich alle Weinstöcke zerstörte, die ihr begegneten. Wie auch in anderen Weingegenden, wie zum Beispiel im Languedoc, war man in der Provence gezwungen, andere Rebsorten einzuführen, die widerstandsfähiger waren. Viele meinten damals, der Wein der Provence wäre nicht mehr, was er vor der Phylloxera war.

So war es eigentlich natürlich, dass man in den 1960er Jahren, als die große Bewegung der "Qualität über Quantität" durch die Weingebiete Frankreichs ging, in der Provence gleich wieder an die Mourvèdre dachte. Mit dem Erfolg, dass sie heute erneut die meistverbreitete Rebsorte der Provence geworden ist.

Doch so beliebt wie Mourvèdre in Frankreich und auch immer noch in Spanien ist, so wurde man ihr in anderen Ländern doch überdrüssig. Einen Moment lang setzten die Winzer zweier so weit voneinander entfernten Länder wie Kalifornien und Australien mit großem Erfolg auf die Monastrell-Traube. Doch inzwischen hat sich die Mode in beiden Ländern gewandelt, und die Weinwirtschaft sah sich gezwungen, auf andere Rebsorten überzugehen.
Kennt man die prinzipiellen Eigenschaften von Mourvèdre, so versteht man die Weinliebhaber aus der Provence besser als die aus Australien oder Kalifornien. Denn Mouvèdre weist eine außerordentliche aromatische Vielfalt auf und ihr Tannin ist von Qualität. Es ist wahr, dass sie in ihrer Jugend eher etwas bitter schmeckt, denn ihr fruchtiger Geschmack entwickelt sich erst mit den Jahren. Dafür altert sie aber hervorragend, und alle Weine, in deren Cuvée sie eintritt, können lange gelagert werden. So ist es auch kein Wunder, dass sie selbst für so bekannte Weine wie Châteauneuf-du-Pape verwendet wird.
Copyright: Sandra Winters

Montag, 22. Juli 2013

Französische Weine - wo kaufen, was kaufen und was ist der Unterschied?

Allerlei über französischen Wein: die kostenlose Wein-Mail

Alles fing an mit der Lust auf guten französischen Wein. Wir trafen uns hin und wieder mit Freunden, und da half eine gute Flasche AOC (kontrollierte Herkunftsbezeichnung) Languedoc, Faugères oder Côte de Provence, die Stimmung zu heben... nein, nicht ihr Alkoholgehalt, denn dafür hätten wir ja keine gute Flasche gebraucht, sondern der angenehme Geschmack. Doch eines Abends senkte er die Stimmung anstatt sie zu heben: wir hatten einen Clos-de-Vougeot geöffnet, der total schlecht gelagert war. Pfui...

Da kam die Frage auf, wo man guten Wein denn kaufen sollte. Und, natürlich, wann man welchen Wein kauft. Und überhaupt, was ist denn nun eigentlich der Unterschied zwischen all den französischen Weinen? Muss es denn immer gleich einer für 50 Euro und mehr sein (in Frankreich gibt es nämlich schon phantastischen Wein für unter 10 Euro)? Und immer nur Bordeaux? Was ist von Roussillon, Provence oder Côtes-du-Rhone zu halten? Sind eigentlich alle guten französischen Weine als AOC klassifiziert oder gibt es auch "heimliche" Weine, die man kennen sollte?

So machten wir uns auf die Suche nach Informationen und Weingütern, alle zusammen und jeder für sich, wir trafen uns erneut (mit einer guten Flasche Wein) und tauschten unsere neuen Kenntnisse aus. Wir lernten, warum ein billiger Wein oft wertvoller ist als ein teurer. Wir entdeckten kleine Weingüter, die nicht zu teuren, aber sehr guten Wein erzeugen - Weingüter, wo der Verantwortliche kein bekannter Önologe ist, sondern der Besitzer, der mit vollem Herzen an seinem Wein hängt. Und wir entdeckten, dass der Wein den Boden und die Lebensart eines Gebietes ausdrückt, dass sein Geschmack und sein Bukett nicht nur von den Rebarten, sondern auch vom Boden, vom Wetter, der Lebenseinstellung der Menschen und der Qualität der Umwelt abhängt. Und schließlich haben wir entdeckt, dass wir mit den kleinen und mittelgroßen Weingütern eine richtige Tour de France machen können - eine Tour, die uns erlaubt, Frankreich von seiner "wahrsten" und vielleicht schönsten Seite zu erforschen.

Und wir entdeckten, dass eine Flasche Wein dafür da ist, mit Freunden in Gemütlichkeit geteilt zu werden. 

Unsere Treffen wurden immer regelmäßiger und interessanter - bis Rita krank wurde. Das heißt, die Treffen gingen auch ohne Rita weiter, aber nachdem sie traurig war, nicht dabei sein zu können, kam Dieter auf die Idee, alles für sie aufzuschreiben. Das heißt, Doris wurde zur "Sekretärin" ernannt, die alles aufschrieb, was die anderen (und sie selbst) entdeckten...

Und wenig später kam dann die Idee, unsere Informationen auch anderen Weinfreunden zu öffnen - die Wein-Mail war geboren.

Wichtig: Die Autoren der Wein-Mail verkaufen keinen Wein. Ihre Ratschläge sind folglich absolut neutral, ausschließlich von der Lust auf guten Wein geprägt. Und sie können sich auch mal irren, denn das beste Weingut kann auch mal eine schlechte Flasche produzieren.

Und um es nochmal zu betonen: Die in den Wein-Mails genannten Weingüter haben für ihre Empfehlung nicht bezahlt, sie wissen nicht einmal, dass sie hier erwähnt werden. Die Autoren drücken ausschließlich ihren persönlichen Geschmack aus, es handelt sich nicht um Werbung.

Die Wein-Mail ist kostenlos und unabhängig. Keiner hat uns zu sagen, welchen Wein wir mögen sollen, weder für Geld noch gute Worte. Und, natürlich, eure Mails-Adressen bleiben unser Geheimnis. Wir geben sie an niemanden weiter, und keiner schickt euch Werbung zu. Ihr bekommt ausschließlich die Wein-Mail, solange sie euch gefällt.

Hast du Lust, die Wein-Mail zu lesen? - Dann schreibe bitte an
sandra.winters63@gmail.com

Copyright: Sandra Winters

Mittwoch, 17. Juli 2013

Saint-Estèphe 1953: 100jähriger Todestag von Louis-Gaspard d’Estournel

Louis-Gaspard d'Estournel, seine Leidenschaft - und Saint-Estèphe 1953, 100 Jahre später

Als der Jahrgang Saint-Estèphe 1953 noch auf den Weinbergen heranreifte, feierte man auf Château Cos d'Estournel den 100. Todedstag eines Mannes, ohne den die Geschichte des Saint-Estèphe sicherlich anders verlaufen wäre. Man nannte ihn den Maharadscha von Saint-Estèphe.

Als Louis-Gaspard d’Estournel einige Hektar Wein in der kleinen Gemeinde Cos im Departement Gironde erbte, glaubte keiner, dass er ein gutes Geschäft gemacht hätte. Im 19. Jahrhundert gab es auch in Bordeaux viele Besitzer von Weinbergen, die nie glaubten, mit diesem Wein reich oder angesehen werden zu können. - Louis Gaspard d'Estournel, dagegen, glaubte an seinen Wein. Von vornherein war er überzeugt, dass der Nektar, den er selbst so liebte, die Welt erobern könnte.

So war Saint-Estèphe eines der ersten Weingebiete, die ihren Wein weit über die Grenzen von Frankreich heraus bekannt machten. Louis-Gaspard d'Estournel gelang es, seinen Wein bis nach Indien zu verkaufen, was ihm seinen Beinamen Maharadscha einbrachte. Manche sagten damals, der Erfolg wäre ihm zu Kopf gestiegen, andere meinten, er wäre schon immer etwas verrückt gewesen. Jedenfalls feierte der Weinliebhaber seinen Erfolg mit einem - orientalischen Schloss.

Als der bekannte französische Schriftsteller Stendhal das Câteau Cos d'Estournel entdeckte, versuchte er ihm zuerst, einen Stil zu finden. Doch er kam nur zu dem Ergebnis, dass es "etwas chinesisch" aussähe. Aber was ihn am meisten faszinierte, das war die relative Schmucklosigkeit des Hauses - die Vielzahl von Türmchen, Erkern, Zinnen und Statuen war den Wirtschaftsgebäuden vorbehalten, das heißt den Ställen und den Gebäuden, die der Produktion des Weines dienten. Stendhal schrieb: "Monsieur d'Estournel hat sein Haus vergessen, aber nichts schien ihm zu schön für seine Rinder und seinen Wein."

Louis-Gaspard d'Estournel starb 1853, ein Jahr nach dem Verkauf seines Gutes. Er hatte es geschafft, einen hervorragenden Wein zu produzieren, der in der ganzen Welt bekannt wurde - und der später, 1855, zum Deuxième Grand Cru erklärt werden sollte. Aber er verstand es nicht, mit seinem Budget hauszuhalten, und das Gut geriet in große, finanzielle Probleme.

Es gab Stimmen, die sagten, er wäre aus Gram über den Verkauf seines Gutes gestorben. Andere meinen, dass seine "Todesursache" ganz einfach sein hohes Alter war - er starb mit 91 Jahren. Sicher ist aber, das der Saint-Estèphe sein Lebenswerk war.

Hundert Jahre später, in Saint-Estèphe 1953, feiert man seinen Todestag mit einem hervorragenden Jahrgang. Die Weine von Saint-Estèphe 1953 sind seidig und haben eine weite aromatische Palette. Sie haben bis heute ihre Qualitäten erhalten können und werden vermutlich noch etliche Jahre gut trinkbar sein.
Copyright: Sandra Winters

Samstag, 13. Juli 2013

Jahrgang Pomerol 1953: Château Pétrus in England

Das große Jahr für Pomerol: Château Pétrus 1953 am Tisch der Königin von England

Der Jahrgang Pomerol 1953 sollte keinem anderen gleichen. Das heißt, der Wein dieses Jahrgangs war hervorragend. Pétrus 1953 gilt als ein fruchtiger, ausgeglichener Wein, der in seiner Jugend eine seidige Struktur aufwies und im Alter mit seinem harmonischen Bukett verführte. Aber der Spitzenwein, der auf den Weinbergen heranwuchs, war nicht die eigentliche Sensation in diesem Jahrgang Pomerol 1953: der Moment, den kein Weinliebhaber je vergisst, fand in England statt - die Krönung von Königin Elisabeth II., die gleichzeitig auch die Krönung des größten Pomerol war. Denn zu Tisch wurde Pétrus 1953 getrunken.


Die Idee kam von Marie-Louise Loubat, oft einfach nur "Witwe Loubat" oder "Witwe Edmond Loubat" genannt. Es ist wahr, das Marie-Louise Loubat ein kleines Vermögen von ihrem verstorbenen Mann geerbt hatte, aber es ist ungerecht, sie nur als "seine Witwe" darzustellen. Denn Marie-Louise war es, die dem Chäteau Pétrus den Ruf verschaffte, den der beste Wein aus Pomerol - und nicht nur von Pomerol 1953 - verdient.

Doch zunächst einmal betätigte Marie-Louise sich in einem Restaurant - das sie mit ihrem Geschäftssinn und ihrem Geschick, mit Menschen umzugehen, bald zum Erfolg führte. Aber ein Restaurant war eigentlich nicht, was sie wollte - ihre besondere Liebe gehörte dem Wein. Und ganz speziell einem Wein, den sie in ihrer Restaurants-Karriere immer öfter bemerkte: Château Pétrus.

Marie-Louise Loubat wusste, dass Château Pétrus einen hervorragenden Wein auf den Markt brachte. Doch die Probleme der 50er Jahre, einige schlechte Jahrgänge und vor allem eine schwierige Marktlage hatten das Weingut in finanzielle Probleme gestürzt - wobei Château Pétrus nicht das einzige große Weingut aus Bordeaux war, das solche Schwierigkeiten kannte. Die Finanzen dieser Jahre waren der Grund, warum so viele Weingüter aus privater Hand an Firmen oder Spekulanten verkauft werden mussten.

Als die Besitzer von Château Pétrus schließlich kapitulieren mussten, war für Marie-Louise die Stunde gekommen: sie kaufte zuerst Aktien, dann das ganze Weingut. Und sie hatte nicht vor, es wieder zu verkaufen - sie wollte, dass sein Wein anerkannt würde. Sie beschloss also, das nötige Geld dort zu suchen, wo es noch existierte: im englischen Könighaus. Und als die zukünftige Königin Elisabeth 1947 ihren Prinz Philip heirate, bekam sie ein Geschenk aus Pomerol - den Wein von Château Pétrus.

Nachdem die zukünftige Königin und ihre Getreuen den Wein gekostet hatten, ging alles wie von selbst: der englische Adel wollte nur noch Pétrus trinken, und als Elisabeth schließlich zur Königin gekrönt wurde, wurde Pétrus ihr Krönungswein.

Es ist klar, dass in Pomerol 1953 von nichts anderem geredet wurde. Und obwohl ein neuer großer Wein heranreifte, verband man mit dem Jahrgang 1953 letztendlich  nur den, der in den adligen Kehlen verschwand...
Copyright: Sandra Winters

Freitag, 12. Juli 2013

Pauillac 1973, Pauillac 1983 - zwei wichtige Jahre für einen großen Wein

Zwei Jahrgänge, die Geschichte machten: Pauillac 1973 und Pauillac 1983


Das Gebiet der Herkunftsbezeichnung Pauillac (AOC Pauillac) verdient auf den ersten Blick das Prädikat "erstaunlich". Erstaunlich sein Zentrum, die Gemeinde Pauillac, die kein romantisches Dörfchen irgendwo inmitten der Weinfeldern ist, sondern ein Ort mit Schwerindustrie und einem Hafen, von dem einst die großen Schiffe nach Südamerika abgingen. Erstaunlich auch die magere Erde, die, eigentlich, zu mager sein müsste, um irgendein Produkt hervorzubringen. Und erstaunlich, vor allem, die Qualität der Weine, die auf dieser mageren Erde wachsen - und die großen Namen, die mit der Herkunftsbezeichnung Pauillac verbunden sind: Château Lafite Rothschild, Château Mouton Rothschild, Château Latour...

Nehmen wir den Jahrgang Pauillac 1983. Der bekannte Weinkritiker Robert Parker schrieb 15 Jahre nach der Traubenlese über den Wein von Château Lafite Rothschild 1983, dass er bereits begonnen hätte, sein Tannin freizusetzen - was bedeutet, dass er schneller reif war, als man am Anfang gedacht hatte. Aber er betonte gleichzeitig, dass dieser Jahrgang Pauillac 1983 noch im Alter von 50 Jahren zu den größten Weinen gehören würde. Er spricht von einem kraftvollen Lafite Rothschild, dem es aber nicht an Eleganz fehlte. Robert Parker beklagt sich - und wenn Robert Parker sich beklagt, dann weiß man, dass es von einem echten Weinexperten kommt - dass dieser hervorragende Jahrgang Pauillac 1983 regelrecht ein bisschen vergessen wurde, in diesem "goldenen Jahrzehnt" der guten Weine.

Oder der Jahrgang Pauillac 1973. Dieses Jahr war besonders wichtig für Château Mouton Rothschild. Denn bei der berühmten Klassifikation der Bordeaux-Weine von 1855 - wo die klassifizierten Grands Crus von Bordeaux "geboren" wurden - war etwas schier Unglaubliches geschehen: Der einzigartige, fantastische Wein von Mouton Rothschild wurde nur Deuxième Grand Cru classé. Mit anderen Worten, die Weinrichter gaben ihm nur einen zweiten Platz.

Doch dieser Irrtum wurde im Jahrgang Pauillac 1973 berichtigt. Man entschied, dass Château Mouton Rothschild zu den Größten gehörte und klassifizierte ihn als Premier Grand Cru.

Der Jahrgang 1973 machte die Weinliebhaber in Bordeaux übrigens nicht sehr glücklich. Starker Regen störte die Weinlese, die Trauben waren wässrig und gaben einen mittelmäßigen Wein. Nur wenigen Châteaux gelang es, einen wirklich guten Wein zu produzieren. Und hier tritt der dritte große Name von Pauillac ins Rampenlicht: trotz Regen brachte Château Latour einen hervorragenden Pauillac 1973 auf den Markt.
Copyright: Sandra Winters 

Montag, 1. Juli 2013

Jahrgang 1945, Jahrgang 1961, Jahrgang 1962: Bordeaux und seine großen Jahrgänge

Ein unerwarteter Jahrgang 1945, ein hervorragender Jahrgang 1961 - und ein Jahrgang 1962, mit dem keiner rechnete

Der Traum aller Önologen: einen guten Jahrgang voraussehen können. Oder zumindest die "Zeichen" eines guten oder schlechten Jahrgangs zu erkennen.

In Bordeaux, Jahrgang 1945, rechnete keiner mit einer guten Ernte. Dabei wäre ein guter Wein gerade in diesem traurigen Siegesjahr so willkommen gewesen. Denn auch wenn Frankreich im Endeffekt zu den Siegern des Krieges gehörte, so ging es den Leuten doch überall gleich schlecht: im Volk gab es nur Verlierer. Viele Männer waren nicht aus dem Krieg zurückgekommen, die Familien kämpften gegen den Hunger und das nackte Überleben. Es mangelte nicht an Arbeit, aber an Arbeitskräften.

Deshalb konnte der Jahrgang 1945 auch nicht vollständig eingebracht werden. Denn entgegen aller Voraussagen wäre er es wert gewesen. Und da schütteln die Önologen den Kopf: ein Jahr, in dem es im Frühjahr noch mal friert, wo die jungen Triebe fast alle eingehen, das kann nur zur Katastrophe werden. Doch Sommer und Herbst wurden heiß und trocken und sorgten für einen hervorragenden Wein.

Jeder weiß, dass ein heißer, trockener Sommer und ein schöner Herbst gut für den Bordeaux-Wein (und sicher auch für, zum Beispiel, einen Saint-Chinian, das heißt für alle südlichen Weine) sind. Aber eigentlich sind sich die Experten einig: Frühjahrsfrost zerstört alle Hoffnung auf einen guten Jahrgang, egal wie heiß der Sommer wird. - Wieder einmal reagierte die Natur anders als die erfahrenen Weinkenner annahmen... und mit dem Jahrgang1946 sollte es nicht anders sein...

Der berühmte Jahrgang 1961 brachte die gleiche Überraschung. Heute sagt man, dass dieser Jahrgang 1961 einen der besten Bordeaux-Weine der Nachkriegszeit hervorgebracht hat. Doch im Frühling machten die Eigentümer der Weingüter eher ein trauriges Gesicht: wie 1945 litten die Weinstöcke unter einem Frühlingsfrost, wie man ihn in Bordeaux nur selten kennt. Und wieder spielte die Natur den erfahrenen Kennern einen Streich: der Sommer war so heiß und der Herbst so freundlich, dass der Wein ganz einfach hervorragend war.

Nachdem der Bordeaux 1961 so gut gelungen war, konnte der Jahrgang 1962 nur schlecht werden. Das sagten zumindest die "Weinkenner" aus Bordeaux. Denn zwei gute Jahrgänge hintereinander, das galt als unmöglich. Bestenfalls konnte der Jahrgang 1962 noch durchschnittlich werden...

Man sollte es nicht für möglich halten, aber man merkte erst einige Jahre später, dass der Jahrgang 1962 quasi genauso gut war wie der Jahrgang 1961. Der Wein war fruchtig und ausgewogen, das Tannin gut ausgereift - er hatte alles, um alle Qualitäten eines jungen Bordeaux vorzuweisen und, bei guter Lagerung, hervorragend zu altern. Dazu kam das Wetter: der Frühling war angenehm warm, von Frost konnte keine Rede sein. Die Weinstöcke fingen an zu sprießen, ohne dass die jungen Blätter von einer Kälteperiode bedroht würden. Der Sommer war heiß, die Erntezeit sonnig... die Kenner hätten eigentlich wissen müssen, dass sie einen hervorragenden Jahrgang erlebten. Doch, zumindest "offiziell" (es gab sicher einige, die anders dachten), war der Jahrgang 1962 von vornherein "verdammt" einen schlechten Wein zu liefern - und das nur, weil der Jahrgang 1961 einfach zu gut war, in den Augen der Leute, um sich so schnell zu wiederholen.
Copyright: Sandra Winters