Mittwoch, 4. Dezember 2013

Wein aus Roussillon: Verbot von Chaptalisieren

Unruhe im Milieu der Weine aus Roussillon: keine Sondergenehmigung für Zuckerzusatz

Die einen reden von Ungerechtigkeit. Die anderen überlegen nur, wie sie ihren Wein - zur Not künstlich - verbessern können. Und die dritten denken an die Qualität, die natürliche Qualität, ihres Weines.

Wieder einmal gibt es Ärger im Milieu der Weine aus Roussillon. Und wieder einmal geht es um das Chaptalisieren, die Anreicherung von Wein mit Zucker.

In der Regel gehen die Weinliebhaber natürlich davon aus, dass ihr französischer Wein zu hundert Prozent aus gegorenem Rebsaft besteht. In der Regel ist das natürlich auch wahr - doch manchmal gärt der Rebsaft nicht so, wie der Winzer es sich wünschen würde. - Und dann tritt das Chaptalisieren als Retter auf.

Unter Chaptalisieren versteht man die Anreicherung des Weines mit Zucker. Ihr Name weißt auf Jean-Antoine Chaptal hin, einen französischen Chemiker und gleichzeitig Minister, der den Prozess - mit Hilfe der wissenschaftlichen Arbeit des Geistlichen François Rozier - erfunden, oder vielmehr entdeckt, hat. Er beruht auf der Erkenntnis, dass es der natürliche Zucker im Wein ist, den ihn zum gären bringt und einen gewissen Alkoholgehalt entwickelt. Je mehr Zucker ein Wein enthält, je höher wird sein Alkoholgehalt.

Doch nicht jeder Wein hat genügend natürlichen Zucker, um einen befriedigenden Alkoholgehalt entstehen zu lassen. Denn der Zucker entwickelt sich mit dem Reifeprozess, der wiederum direkt mit der Sonneneinstrahlung in Zusammenhang steht. Das Klima von Nordfrankreich, zum Beispiel, kann nicht genügend Sonnenstunden garantieren, damit der Wein wirklich ausreift. So ist Antoine Chaptal auf die Idee gekommen, man könnte eine Art künstliche Gärung herbeiführen, indem man dem Wein zusätzlichen Zucker beifügt. Man hat ausgerechnet, dass knapp 17 Gramm Zucker auf einen Liter Wein den Alkoholgehalt um ein Grad erhöhen.

Wenn es also kein Chaptalisieren gäbe, müsste man auf den Wein aus dem Rhone-Tal, Burgund und dem Elsass weitgehend verzichten. So gehört die künstliche Beifügung von Zucker für die Winzer aus dem Norden Frankreichs inzwischen zum Wein-Alltag. Anders sieht es in südlichen Gebieten aus. Die Sonneneinstrahlung ist dort so intensiv, dass Chaptalisieren einfach nicht nötig ist.

Meistens. Außer in ausgesprochen schlechten Jahren. Und da fängt der Streit dann an.

Die europäische Regelung hinsichtlich des Chaptalisieren teilt die französischen Weine in drei Gruppen. Die erste und zweite Gruppe darf grundsätzlich Zucker beifügen, auch wenn die Zuckermengen rechtlich begrenzt sind. Die dritte Gruppe dagegen darf den Wein nur in besonders kritischen Jahren mit Zucker versetzen, in sehr geringer Menge, und auch nur nach Anfrage bei den entsprechenden Behörden.

Zu dieser dritten Gruppe gehören alle südlichen Weingebiete, die Provence, Languedoc, die Weine der Pyrenäen bis nach Bordeaux. Der Unterschied zwischen den Mitgliedern dieser Gruppe ist nur, dass die Genehmigungen nicht überall gleichmäßig erteilt werden. In Bordeaux, zum Beispiel, wo das Klima zwar noch wärmer ist als im Norden Frankreich, aber unter dem kühleren Einfluss des Atlantik und nicht des Mittelmeeres steht, geht man davon aus, dass der Wein im Durchschnitt nur alle drei Jahre ausreift. Die "Sondergenehmigungen" zur Chaptalisieren sind also häufig.

Anders sieht es aus für den Wein aus Roussillon. Dieses Gebiet, wo der südlichste französische Wein wächst, kann sich in der Regel nicht über Mangel an Sonneneinstrahlung beklagen. Doch es gibt auch hier Ausnahmejahre - wo dann das Chaptalisieren helfen würde, das Jahreseinkommen der Winzer zu retten.

Im Jahre 2012 war es mal wieder soweit. Die Weinlese fand erst spät statt, viele Trauben waren nicht vollständig ausgereift. Die Winzer sorgten sich um die Qualität des Weines aus Roussillon und erbaten die Genehmigung zu Chaptalisieren... die, wie immer, prompt abgelehnt wurde. Die Behörden gehen davon aus, dass der Wein aus Roussillon selbstständig, nur mit Hilfe des Bodens und der Sonne, in der Lage ist, einen optimalen Alkoholgehalt zu entwickeln. Die Winzer reden von Ungerechtigkeit - und die Freunde von Roussillon-Wein von einem hundertprozentig reinen Wein... Denn ohne Chaptalisieren besteht der Wein wirklich aus dem, was man glaubt - aus dem Saft der Rebe.
Copyright: Sandra Winters

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