Wie ein Verschnitt aus Cabernet Sauvignon und Merlot die französischen Weine in den Schatten stellte
Normalerweise war es von vornherein klar, welcher Wein beim
Jugement de Paris, der wohl berühmtesten Weinprobe der Welt, den Sieg
davontragen würde. Bei den Weißweinen gewannen manchmal - wenn auch nur selten
- amerikanische Weine, doch der Preis für den besten Rotwein blieb quasi immer
in Frankreich, und meistens ging er nach Bordeaux.
Aber 1976 war plötzlich alles anders. Alle hatten auf Mouton Rothschild gesetzt, doch Sieger unter den Rotweinen wurde ein Verschnitt aus Cabernet Sauvignan und Merlot, der von einem quasi unbekannten Weingut aus Kalifornien, Stag's Leap Wine Cellars, und dessen Eigentümer Warren Winiarski präsentiert wurde.
1976 war in jeder Hinsicht ein außergewöhnliches Jahr. Im
Mai, als der Wettbewerb stattfand, ahnte man schon, dass ein extrem heißer
Sommer bevorstand. Man wusste dagegen noch nicht, dass ein Dauerregen zur Zeit
der Weinlese quasi den gesamten Bordeaux des Jahres verderben sollte.
Der Rotwein, jedoch, der von Mouton Rothschild
präsentiert wurde, hatte nichts mit dem misslungenen 1976er zu tun. Die besten
Rotweine, die in der Ausscheidung lagen, stammten von 1970, einem großen
Weinjahr und 1971, das auch sehr gut ausfiel. Deshalb waren alle erstaunt, als
plötzlich von einem kalifornischen Siegerwein aus Cabernet Sauvignon und Merlot
die Rede war. Der Mouton Rothschild hatte stolze 126 Punkte ergattert - der
unbekannte Rotwein von Warren Winiarski kam dagegen auf 127,5... Und auch, wenn
nur vier von den insgesamt elf Schiedsrichtern ihn zum besten Rotwein des
Wettbewerbs erklärt hatten, so erhielt er doch die meisten Punkte.
Warren Winiarski sollte seinen Sieg jedoch nicht voll
auskosten können. Schon kurz nach dem Ereignis erhielt er anonyme Briefe, die
ihn anschuldigten, einfach "Glück" gehabt zu haben - und nicht etwa
einen guten Wein. Eine der Schiedsrichterinnen, die für kalifornischen Wein
gestimmt hatte, behauptete, die Ergebnisse der Ausscheidung wären gefälscht
worden. Ein amerikanischer Journalist, George M. Taber, der sich auf große
Weine spezialisiert hatte, veröffentlichte einen Artikel über den Wettbewerb in
der Time, was ihm Ärger mit der französischen Weinindustrie einbrachte.
Die New York Times schrieb, dass kalifornischer Wein im Allgemeinen oft
besser sei als der französische, was die Franzosen jedoch nie zugeben würden.
Und die französische Presse schwieg den Wettbewerb einfach tot - außer dem Figaro,
der drei Monate später behauptete, die Ausscheidung wäre absolut lächerlich
gewesen, und suggerierte, dass die Preisrichter nicht in Form gewesen seien.
Tatsächlich hatten die Richter sich nicht von ihrer
kompetentesten Seite gezeigt - zumindest am Anfang der Ausscheidung, als es um
Weißweine ging. Denn um ihre Neutralität zu garantieren, wurden die Weine in
Flaschen ohne Etikett abgefüllt. Die Schiedsrichter wussten also nicht, ob sie
es mit einem französischen oder kalifornischen Wein zu tun hatten - aber das
machte ihnen keine Sorge. Sie waren überzeugt, nur an einem Wein riechen zu
müssen, um seine Herkunft bestimmen zu können...
...doch sie hatten sich geirrt. Schon der erste Wein, ein
französischer Bâtard-Montrachet, wurde von den meisten für einen Kalifornier
gehalten. Und das Verwirrspiel ging weiter, bis letztendlich ein kalifornischer
Wein, Château Montelena, den Sieg davontrug. Die Schiedsrichter waren
schockiert über ihre Irrtümer in der Bestimmung des Herkunftslandes der Weine,
die französischen Weinliebhaber zeigten sich entsetzt. Wenn der Sieger unter
den Weißweinen, schon kein Franzose war, so musste zumindest der beste Rotwein
aus Frankreich stammen. Die Richter begannen also, die Rotweine zu kosten,
natürlich wieder ohne zu wissen, wo sie herkamen. Und unter diesen Weinen war
ein Verschnitt aus Cabernet Sauvignon und Merlot, der die Weinwelt in Erstaunen
versetzen sollte...
Copyright: Sandra Winters
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