Samstag, 27. April 2013

Yquem 1944 und Yquem 1994 - zwei Jahrgänge, die sich ähneln

Heißer Sommer und verregneter Herbst: Yquem 1944 und Yquem 1994, zwei große Likörweine

Man kann nicht behaupten, dass Bordeaux 1944 ein glückliches Jahr war. Wie überall in Europa litten die Menschen unter Entbehrungen und der Angst um ihr Leben. Auf den Weingütern wusste man nicht, wo man genügend Erntearbeiter finden sollte - die Männer waren im Krieg, und keiner wusste, ob und wann sie zurückkehren sollten.

Und trotzdem gab es einen Lichtblick. Der Frühling war warm und angenehm, der Sommer trocken und heiß. Die Herren der Weingüter sahen der Weinlese mit gemischten Gefühlen entgegen: alles ließ glauben, dass es ein hervorragender Jahrgang werden sollte - aber man musste erst einmal die Erntearbeiter finden.

Doch für die Rotweine kam die Enttäuschung im Herbst. Als die Weinlese losging, verschlechterte sich das Wetter, und starke Regengüsse brachen über Bordeaux herein. Nur die Liebhaber der Likörweine waren glücklich. Was den Rotweinen schadete, erhöhte die Qualität der Sauternes: endlich hatte der Yquem 1944 die Möglichkeit, seine Edelfäule ausreifen zu lassen. Der heiße Sommer hatte die Grundlage gelegt, der Herbstregen vollendete das Werk: Yquem 1944 wuchs zu einem Spitzenwein heran.

Heute ist Yquem 1944 ein perfekter Likörwein. Sein Geschmack ist ausgewogen, seine Reife auf dem Höhepunkt. Und, nach Meinung der Experten, wird dieser Höhepunkt wohl noch mindestens zehn Jahre andauern.

In Bordeaux 1994, fünfzig Jahre später, denkt kaum einer mehr an den Krieg. Die Weingüter finden genügend Arbeitskräfte - jetzt geht es um die Qualität, die Konkurrenz, den guten Ruf und den Kampf um den Kunden.

Doch immer noch ist die Natur stärker als die Geschäftsleute. Auch wenn die Weingüter die besten Fachkräfte einstellen, um sich bekannt zu machen - die Qualität hängt vom Wetter ab. Und das Wetter ist gut, in diesem Jahr. Wieder einmal ist der Frühling warm, der Sommer heiß und trocken... und wieder einmal macht das Wetter einen Strich durch die Rechnung der Weinbauern: die Weinlese hat kaum begonnen, als es anfängt, in Strömen zu regnen.

Und wieder ist es das Aus für viele Rotweine. Die Weine, die auf Merlot basieren, kommen noch am besten weg - sie sind konzentriert, ihr Tannin stark und ausgereift. Aber die anderen vermögen nicht zu halten, was der Ruf der Weingüter verspricht.

"Gewinner" sind jedoch wieder die Sauternes. Die Edelfäule entwickelt sich unter dem Regen, und Yquem 1994 wird ein Genuss, auf den sich die Liebhaber der Likörweine freuen. Yquem 1994 ist fruchtig und gut ausgereift. Doch den Experten zufolge hat er einen Nachteil: im Gegensatz zu Yquem 1944 wird er vermutlich nicht sehr gut altern. Doch wen interessiert das, heute, fast zwanzig Jahre nach der Vollendung eines guten Weines?
Copyright: Sandra Winters

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