Mittwoch, 31. Juli 2013

Rancio-Wein: Vin doux naturel, Clairette du Languedoc und Süßwein aus dem Roussillon

Wie ein Wein "ranzig" wurde und ein neuer Geschmack entstand: Clairette du Languedoc, Banyuls, Rivesaltes...

Man sagt, Frankreich sei das Land des Weines - was natürlich auch stimmt. Von Spanien redet man dagegen nur seltener. Trotzdem kommen einige der besten Rebsorten (Mourvèdre, Cinsault,...) aus Spanien und selbst einige Techniken, die heute in Frankreich zum allgemeinen (Wein-)Kulturgut gehören, wurden in Spanien erfunden...

... das heißt, wie so viele große Erfindungen wurden viele Weintechniken eigentlich durch Zufall - oft durch einen Unfall - entdeckt. Keiner weiß, wie der erste Rancio wirklich entstand. Aber man kann sich gut vorstellen, dass ein Winzer einmal in Eile war und sein Fass mit Vin doux naturel (Süßwein) in seiner ersten Reifephase nicht richtig schloss, oder vielleicht auch, dass das Fass einen Riss hatte, den der Winzer nicht bemerkte - jedenfalls kam Sauerstoff an den Wein in einem Moment, wo er normalerweise luftdicht abgeschlossen sein muss. Dazu kam die Hitze der Mittelmeersonne... und der Wein wurde ranzig.

Die meisten Winzer hätten das Fass und seinen Inhalt vermutlich einfach weggeworfen. Doch "unser" Weinmacher kam auf die Idee, dass vielleicht doch noch was zu retten sei. Oder er wollte es zumindest versuchen - und hat zunächst einmal gekostet. Und anstatt einen schlechten - ranzigen - Geschmack auf der Zunge zu verspüren, entdeckte er das süß-saure Aroma von Haselnüssen, Haselnussbutter, Walnüssen und zerlassener Butter. Mit anderen Worten, dieser "verdorbene" Wein schmeckte hervorragend.

Vielleicht war es der gleiche Winzer, der dann die Idee hatte, das sein neu entdeckter Wein Gefahr liefe, Essigsäurebakterien zu entwickeln. Vielleicht war es auch ein anderer, der die neue "Technik" später imitierte. Jedenfalls wäre es schade gewesen, den gerade erst entdeckten Wein zu Essig werden zu lassen. Deshalb setzte er etwas Alkohol zu - und die Gefahr war gebannt.

Der Name von Rancio, dem Süßwein mit der besonderen Note, die heute so beliebt ist, bedeutet nichts anderes als "ranzig". Doch ein "ranziger Wein" hat absolut nichts mit einer ranzigen Butter oder anderen ranzigen Lebensmitteln zu tun. Er entwickelt eigene Aromastoffe, die ihn in den Augen der Weinliebhaber zu etwas Besonderem machen.

Heute bedienen sich die Weingüter, die Rancio produzieren, natürlich keiner "defekten" Fässer mehr oder rechnen damit, dass mal eins nicht richtig schließt. Der Rancio wird inzwischen nur aus Weintrauben hergestellt, die so lange auf der Weinrebe bleiben, bis sie überreif sind. Anschließend werden sie für mindestens drei Jahre in Holzfässern gelagert - in Fässern, die aus Eiche, Akazie oder Esche gefertigt werden - die über eine Temperaturkontrolle verfügen und den Wein einer ständigen, gleichmäßigen Hitze aussetzen. Der Sauerstoff berührt den Wein nicht mehr "zufällig", sondern wird gezielt zugeführt und garantiert eine optimale Oxydation des Weines.

Doch obwohl der Zufall, der den ersten Rancio unter ungewollter Sauerstoffzufuhr und Mittelmeerhitze entstehen ließ, längst durch ein wissenschaftlich ausgeklügeltes, computergesteuertes System ersetzt wurde, gibt es in Frankreich noch Gegenden, wo man die Fässer - oft sogar traditionelle Glasfässer -, die nur bis knapp über die Hälfte gefüllt werden, einfach in der Sonne liegen sieht.

Weinliebhaber, und besonders die Anhänger von Vin doux naturel, möchten ihren Rancio heute nicht mehr missen. Die Technik wird in fast allen Gebieten angewendet, wo Süßwein produziert wird. Bekannt sind zum Beispiel die Rancios aus Banyuls oder Rivesaltes im Roussillon, dem südlichsten Weinbaugebiet des französischen Mittelmeeres, das sich bis an die spanische Grenze zieht. Ein anderes berühmtes Rancio-Gebiet gehört zum AOC Languedoc, wo in den Tälern der Hérault die Trauben von Clairette du Languedoc heranreifen.

Die Technik des Rancio wird auch für die Herstellung von Cognac eingesetzt.
Copyright: Sandra Winters

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