Sortenreiner Merlot, Syrah oder Cabernet-Sauvignon im Languedoc: eine Philosophie der Natur
Einem Neuling in Sachen Wein brennt oft eine Frage auf
den Lippen, die er vielleicht nicht zu stellen wagt - aus Angst, als Neuling
erkannt zu werden. Er lernt, dass die Burgunder-Weine - im Gegensatz, zum
Beispiel, zu den ebenso hervorragenden Bordeaux - aus einer einzigen und immer
derselben Rebsorte hergestellt werden. Das heißt, sie sind
"sortenrein" oder, für die Franzosen, mono-cépage.
Bis dahin ist nichts Besonderes an der Aussage. Wenn man
dann aber daran denkt, dass all die unterschiedlichen Burgunder-Weine auf der
gleichen Rebsorte basieren, dann drängt sich doch logischerweise (und nicht nur
bei Neulingen) die Frage auf, wieso ihr Bukett, ihr Geschmack und selbst ihre
Qualität so unterschiedlich sind.
Das "Geheimnis" liegt im Boden. Im Gegensatz zu
einem verschnittenen Wein,
wo der Winzer weitgehend entscheidet, welches Bukett und welchen Geschmack er
seinem Produkt geben will, hat er nur wenig Einfluss auf die Qualität eines sortenreinenWeines, zumindest
nach der Ernte - außer, natürlich, was die Lagerung betrifft. Viele der
"neuen" Winzer fühlen sich davon angezogen, ihren Wein nicht durch
Mischung "künstlich" zusammenzustellen, sondern sich von der Natur
abhängig zu machen: von der Qualität ihres Bodens, den sie entsprechend pflegen
und dem sie entsprechende - oft biologische - Nahrung zugeben, aber auch vom
Klima, von der Regen- und Sonnenmenge, die ihr Wein erhält.
Manche Kritiker meinen, die Herstellung eines
sortenreines Weines wäre einfacher als die Produktion eines Verschnitts, weil
der Winzer sich nicht in der Kunst des Mischens auskennen müsste. Deshalb
würden sortenreine Weine oft von Anfängern produziert. Die Anhänger der
"neuen Schule" dagegen, die vorwiegend aus Jungwinzern und kleinen bis
mittleren Gütern besteht, empfinden eher das Gegenteil: um die Natur dazu zu
bringen, eine gute Rebe zu produzieren, brauchte es mehr als einige Kenntnisse
im Verschneiden des Weines. Denn Verschneiden bedeute stets, den Wein künstlich
zu verbessern, indem man die richtige Menge von der richtigen Rebe zusetzt. Bei
sortenreinem Wein wäre dies nicht ausreichend: "Der Winzer muss fähig
sein, die Zeichen der Natur zu erkennen, zu fühlen, was der Boden und die
Pflanzen benötigen und bereit sein, nicht seinem eigenen, künstlichen Rhythmus
zu folgen, sondern dem seiner natürlichen Umgebung."
In Frankreich ist die Herstellung von sortenreinem Wein
seit den 80er Jahren geregelt. Um das Recht zu haben, seinen Wein
"sortenrein" zu nennen, ist der Winzer verpflichtet, hundert Prozent
der gleichen Rebsorte zu verwenden - im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten,
wo ein "sortenreiner Wein" bis zu 25 Prozent verschnitten sein darf.
Europa konnte immerhin durchsetzen, dass die importierten amerikanischen Weine
nur zu 15 Prozent verschnitten sein dürfen, wenn sie hier als sortenrein
verkauft werden sollen.
Die Namen der sortenreinen Weine in Frankreich drücken in
der Regel die Philosophie des Bodens aus, auf dem sie gewachsen sind. Sie
werden oft nach dem Ort benannt, wo sie produziert wurden oder nach dem Weingut
(was der Fall bei fast allen Burgunder-Weinen ist) - wogegen verschnittene
Weine oft Fantasienamen tragen. Erst in letzter Zeit haben kleinere Weingüter,
zum Beispiel im Languedoc, angefangen, ihren Wein nach der Rebe zu benennen,
die benutzt wurde, sortenreiner Merlot, Syrah, Cabernet-Sauvignon...
Copyright: Sandra Winters
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