Donnerstag, 17. Januar 2013

Château Margaux, Anatole France und der Poet

Wie Château Margaux einen Romanhelden zum Poeten machte


Die Engländer waren schon immer Verehrer der Bordeaux-Weine: Königin Elisabeth schwört auf Château Pétrus, der Philosoph John Locke verehrte Château Haut-Brion, und der englische König Charles II duldete nur Bordeaux-Weine auf seinem Tisch. 

Deshalb wunderte sich auch keiner, als Mitte des 19ten Jahrhunderts "God save the Wine", Gott schütze den Wein, aus den Gewölben des besten Restaurants von Bordeaux - oder, wie manche behaupteten, des besten Restaurants der Welt - herausschall. Die weinfreudigen Engländer hatten ihre alte Formel "God save the King", Gott schütze den König, fröhlich gegen Gott schütze den Wein ausgetauscht. 

Doch was sie da tranken, war wohl wirklich schützenswert. Der Ruhm des "Restaurants des Rois", des Restaurants der Könige, war Anfang des 20ten Jahrhunderts so groß, dass sein Besitzer sogar einen Parkplatz einrichten ließ.

Anatole France, Schriftsteller und Nobelpreisträger, der regelmäßig im Restaurant der Könige verkehrte, zog Château Margaux allen anderen Weinen vor. In seinem Roman "Le Crime de Sylvestre Bonnard", Das Verbrechen des Sylvestre Bonnard, lässt er seinen Helden von seinem Lieblingswein aus Bordeaux schwärmen. 

In Stellvertretung des Autors behauptet sein Held, feinere Geschmacksnerven zu haben als der Durchschnittsmensch. Deswegen hätte sein reicher Gastgeber für ihn eine Flasche Château Margaux geöffnet - ein unvergleichliches Erlebnis. Der Dichter singt ein Loblied auf die Rasse und die Tugend des Weins von den Hängen über Bordeaux, auf sein feuriges Bouquet. Und obwohl er normalerweise nicht über die geringste Fantasie verfügte, hätte der Wein ihn zum Poeten gemacht. 
Copyright: Sandra Winters

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